Röntgen von trächtigen Hündinnen - wirklich noch zeitgemäß?

Oder … warum wir in der Trächtigkeit nicht röntgen, wenn es nicht sein muss (siehe "Zucht").

 

Vorweg: Ich möchte mit diesem Artikel niemanden anprangern, da ich davon ausgehe, dass alle seriösen Züchter nur das Beste für ihre Welpen und Hunde möchten.

Und durchaus gibt es gerade bei kleinen Rassen Gründe, warum ein Röntgenbild mal notwendig wird (etwa um die Größe eines Welpen zu bestimmen, insbesondere bei Einfrüchtigkeit).

Symbolbild: Röntgenbild in der Trächtigkeit / (C) Shutterstock

Manche Tierärzte argumentieren, dass die Röntgenstrahlen den Welpen in diesem Stadium ( ab 57. Tag der Trächtigkeit) nicht mehr schadet.

Das mag korrekt sein, wenn wir uns den SICHTBAREN Schaden auf den einzelnen Welpen ansehen. Die Welpen werden optisch gesund und munter geboren.

Auf genetischer Ebene und auf viele Generationen gedacht, ist das nicht mehr haltbar.

 

Ionisierende Strahlung, wie Röntgenstrahlung, ist so stark, dass sie bis in die Zelle zur DNA reicht. Die DNA wird durch Röntgenstrahlung geschädigt, sowohl direkt als auch indirekt. Diese kurzzeitige Strahlung kann zu Spätfolgen (oft erst viele Jahre danach) oder zu Mutationen führen, die im weiteren Verlauf zu Krebs führen können. Schäden in den Keimzellen (Spermien und Eizellen) können die DNA der Nachzucht beschädigen und das für viele fortlaufende Generationen.

 

Hier möchte ich gerne von der Tierarztpraxis BHV Mitte zitieren:

„ Radioaktive Strahlen können Veränderungen in unseren Zellen verursachen, sogenannte Mutationen, welche schwere Folgen haben können. Insbesondere Organismen oder Gewebe, die einer schnellen Zellteilung unterliegen, sind besonders gefährdet (Jungtiere oder Welpen im Mutterleib). Solche Mutationen können einerseits Missbildungen zur Folge haben oder ein „Zellchaos“ anrichten, welches in einer Tumorbildung enden kann.“ (Quelle: https://www.kleintierpraxis-bhv-mitte.de, 18.09.2020).

 

Gerade Hundezüchter wissen, dass Krebs bei fast allen Hunderassen auf dem Vormarsch ist. Auch wenn das sicher nicht der alleinige Grund dafür ist, so sollten wir alle daran interessiert sein, dass Risiko zu minimieren. 

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass sich mehrere kleine Strahlendosen kumulieren und so ungeahnte und dauerhafte Schäden anrichten:

„Die Eizelle aus der der Hund entsteht, existiert bereits 2 Generationen vor seiner Geburt“

Ist eine Hündin trächtig, so sind in ihrem Uterus bei den weiblichen Embryonen bereits die Eizellen angelegt und vollzählig, aus dem die übernächste Generation entsteht.

 

Das Röntgenbild, welches bei der trächtigen Hündin gemacht wird, beeinflusst also auch ihre Nachkommen und bezüglich der weiblichen Embryonen – auch deren Nachkommen. Es erstreckt sich also über 2 weitere Generationen. Und das in einer Phase, wo das Erbgut besonders angreifbar ist.

 

Es ist eben nicht nur ein Röntgenbild, welches eine Hündin im Laufe der Zuchtlaufbahn durchmacht. Meistens hat sie schon vor ihrer Geburt einige Strahlendosen abbekommen: HD röntgen der Mutter (da als Eizelle schon vorhanden), evtl. röntgen während der Trächtigkeit der Mutter (Strahlenbelastung der Embryos, sowie der Eizellen der weiblichen Embryos), ihr eigenes HD röntgen. Weiteres röntgen während der eigenen Trächtigkeiten usw. Damit summiert sich die Belastung über Generationen hinweg.

In dieser Grafik sind 3 Generationen zu sehen, bei denen jeweils aus dem ersten Wurf der Mütter eine Hündin zur Weiterzucht behalten wurde. In diesem theoretischen Modell wurden die Hündinnen ebenfalls HD geröntgt und jeweils in der Trächtigkeit geröntgt. Ein mögliches leer-röntgen (um auszuschließen, dass sich nach der Geburt noch Welpen im Uterus befinden) nicht mit gerechnet. Natürlich besitzt die DNA auch Reparaturmechanismen, aber auch die können den immer wieder kehrenden Schaden nicht komplett auffangen bzw. findet teilweise auch eine unvollständige Reparatur statt. Noch mehr Belastung kommt zusammen, wenn wir uns vorstellen, dass man jeweils eine Hündin aus dem letzten Wurf einer Mutter behält. Da kommen u.U. noch 3-4 Röntgenbilder dazu.

Das HD röntgen erstreckt sich dabei auf 2 Generationen. Beim röntgen einer trächtigen Hündin dagegen, erstreckt sich die Belastung auf 3 Generationen. 

 

Zusätzlich kann man sich jetzt noch überlegen, was noch an Belastung dazu kommt. Röntgenbilder sind nicht immer direkt beim ersten Bild perfekt, so das nachgeröntgt werden muss – sowohl beim HD röntgen, als auch beim röntgen in der Trächtigkeit. Auch habe ich schon mitbekommen, dass manche die trächtige Hündin in zwei Ebenen röntgen, einmal von oben und einmal von der Seite. Da kommen ganz schnell noch weitere Röntgenbilder pro Generation dazu. 

Beim Menschen wird übrigens bereits seit 1903 ein Schutz der Keimdrüsen bei Röntgenaufnahmen empfohlen.

 

Das Ziel des Artikels ist es nicht, alle von meiner Meinung zu überzeugen. Aber vielleicht hilft er, dass Bewusstsein, gegenüber schädlicher Einflüsse in der Trächtigkeit und die Auswirkungen auf viele Generationen, zu schärfen. 

 

Es gibt keine Beweise, aber ich mache mir schon Gedanken, welchen Schaden die pro Generation zunehmende Röntgenbelastung im Erbgut anrichtet. Dieses Erbgut wird immer weiter gegeben und wieder und wieder geschädigt. Studien zu diesem Thema werden auch schwer durchführbar sein, da gerade Langzeitschäden kaum aufgezeichnet und rückverfolgt werden können.

 

Wir haben alle das Ziel gesunde Hunde zu züchten und deren Gesundheit auf Generationen gesehen zu erhalten. Laut der letzten Umfrage von ASHGI ist die durchschnittliche Lebenserwartung des Aussies auf erschreckende 9 Jahre gesunken. Einen großen Anteil der Todesursachen machen dabei Krebserkrankungen aus. Ich möchte dabei in alle Richtungen denken, um diesen Trend entgegenzuwirken. Allein mit einer erblichen Komponente ist das nicht erklärbar, wir haben einen geschlossenen Genpool und hätten sonst deutlich früher mit diesen Problemen zu kämpfen. Wenn sich in einer Population Gene verändern, dass passiert das über Jahrtausende hinweg, nicht über 50 Jahre. Erst in den letzten Jahren ist die Lebenserwartung derart gesunken und ich möchte mich nicht auf dem Argument „es ist halt genetisch“ ausruhen. Auch das Argument „Krebs kommt nun mal mit einer erhöhten Lebenserwartung“ kann hier nicht zählen. Denn die sinkt derzeit, zusammen mit den erhöhten Krebsraten. Es ist bei weitem nicht der Fall, dass wir nur 12-14 Jährige irgendwann an Krebs verlieren. Es sind teils sogar junge Hunde mit 3-4 Jahren.

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Quellen:

https://www.annettescollie.de/alles-m%C3%B6gliche/erbkrankheiten/r%C3%B6ntgen-einer-tr%C3%A4chtigen-h%C3%BCndin/

 

Milestones der weiblichen Keimzellenentwicklung und Fertilitätserhalt: https://www.ferring.at/media/1175/milestones-der-weiblichen-keimzellenentwicklung-und-fertilitaetserhalt.pdf?fbclid=IwAR2-joDueIb6c9XnzUMEn-raTVI2v1lVfsKZxmZ_TBmFexZQlsWT1SSAo4w

vererbbare Strahlenschäden: https://www.bfs.de/DE/themen/ion/wirkung/vererbbar/vererbbar_node.html?fbclid=IwAR1uIi7_P5EUVNkApw-9tuvpjqStg5au8RX92qzG6UKF_aFiAfK72fcIiPQ

Biologische Wirkung ionisierender Strahlung: https://molgen.biologie.uni-mainz.de/Downloads/PDFs/Strahlenbio.pdf

Kleintierpraxis BHV Mitte: https://www.kleintierpraxis-bhv-mitte.de/kurative-praxis/roentgendiagnosik.html